Die Burgpfleger

Mit dem Erwerb der Grafschaft zu Lengberg und dem Tod Heinrichs von Lechsgemünd kam die Burg Lengberg an das Erzstift Salzburg. Die Erzbischöfe von Salzburg waren nun bis zur Säkularisierung (also für ca. 600 Jahre) die Herren über die Besitzungen der Grafen von Lechsgemünd [1].

Die Einrichtung der Salzburger Pflegeverwaltung erfolgte nun schrittweise. Zum einen wurde Burg Lengberg als Pfand für aufgenommene Darlehen des Erzbischofs an Adelige vergeben, zum anderen wurden Adelige gegen eine bedeutende Kaution als Burgpfleger (Burgrichter) mit der Herrschaft belehnt.

Der jeweilige (Burg)Pfleger hatte vor allem drei Hauptaufgaben: Burghut (Abwehr feindli-cher Angreifer und Wahrung des Friedens), Güterverwaltung und Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit. Letzteres übte der Pfleger mit Gerichtsgeschworenen aus und beinhaltet hauptsächlich die Rechtsprechung bei Diebstählen, Raufereien, Unzucht usw. Die Strafen selbst wurden vom jeweiligen Pfleger ausgesprochen und bestanden meist aus Strafgel-dern und kürzeren Gefängnisstrafen im Burgverlies. Die höhere Gerichtsbarkeit (Blutge-richtsbarkeit), u.a. bei Mord, war in Tirol den Landgerichten (in diesem Fall Lienz) übertragen.

Neben den oben erwähnten Aufgaben gehörte auch die jährliche Abhaltung des „Taiding“ (Thing = Gerichtsversammlung, Gerichtstag), das vorwiegend am St.-Markus-Tag (25. April) abgehalten wurde und bei dem alle Ortsangelegenheiten der Untertanen  verbindlich geregelt wurden (z.B. Robotschichten bzw. Frondienst, Holzbezug und andere Verhaltensvorschriften).[2]
Der Verwaltungsbereich von Lengberg beinhaltete keine reichen Besitzungen, zumal sich der Holzbestand vor allem im steilen Gelände befand und die Viehweiden aufgrund der Auwälder sehr spärlich zu finden waren. Als Vorteil für die Grafschaft zu Lengberg kann man aber anführen, dass Lengberg sehr abgeschieden vom Erzstift lag, und somit kaum Naturalien, u.a. Holz für die Salzburger Salinen, sondern nur Geld an das Erzstift leisten musste.[3]

Virgil von Graben erhielt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts als einer der mächtigsten Adeligen seiner Zeit im Raum Oberkärnten-Osttirol Burg Lengberg auf Lebenszeit. So schildert Paolo Santonino in seinen Reisetagebüchern Virgil von Graben als einen „Ritter, geziert mit allen Tugenden und von höchster Bildung, [der seine Gäste] mit strahlend heiterer Miene empfing.“[4]
Virgil von Graben wurde im 15. Jahrhundert geboren und entstammte dem kärntnerisch-osttirolerischen Zweig des edelfreien Geschlechtes der Von Graben von Stein. Virgil war ebenfalls Burggraf und Herr von Burg Sommeregg. Daneben bekleidete Virgil auch das Burggrafenamt bzw. die Pfandherrschaft von Lienz und Heinfels.

Mit Virgil von Graben wurde die Hochblüte von Burg Lengberg eingeleitet. Unter seiner Verwaltung ließ er auf eigene Kosten die „veste Lengenberch“ in den Jahren 1480-85 zu einer repräsentativen gotischen Burg ausbauen.[5]

Der damalige zweistöckige Palas erhielt im Zuge dieser Umbauarbeiten ein drittes Stockwerk, ergänzt mit einem West- und einem Osttrakt. Im so genannten Westtrakt wurde eine Burgkapelle geschaffen, die 1485 den Heiligen Sebastian und Nikolaus geweiht wurde. Neben diesen Bautätigkeiten wurde die Ringmauer zusätzlich aufgestockt und durch eine Zwingermauer ergänzt. Ferner wurde das Niveau des Burghofes um drei Meter gesenkt und somit auch das ursprüngliche romanische Tor nach unten versetzt.
Eine grobe Beschreibung der neuen gotischen Burg findet man in den Reisetagebücher des Paolo Santonino, dem Sekretär des damaligen Bischofs von Carole, der die Weihe der Burgkapelle vollzog:

„Die Burg selbst wird nicht von einer ausgedehnten Mauer umschlossen … Die Mauern der Burg selbst sind dick und sehr hoch, sodass sie durch Belagerungsmaschinen kaum gebrochen würden. Die innere Einteilung ist vorzüglich, unten und im Stockwerk gibt es schöne Wohnzimmer, hergerichtet für Sommer und Winter… In der Burg ist auch ein Springbrunnen, dessen Wasser in einen hölzernen Trog zurückfällt… Innerhalb der Burg hat der Burgherr vielartige Befestigungskünste angebracht zur Verteidigung und zum Abschlagen eines feindlichen Angriffes… Er hat auch eine Sonnenuhr bzw. einen Stundenmesser aufgestellt …“[6]

Nach seinem Tod verzichtete das Herrschergeschlecht der Von Graben von Stein gegen eine große Geldzahlung auf die Burg Lengberg; die Burg wurde nun vom Salzburger Erzbischof an einen anderen Adeligen vergeben.[7] Ab diesem Zeitpunkt wechselten sich die Burgpfleger in Lengberg ab und die Burg wurde aufgrund von fehlenden Geldes von Seiten der Salzburger Hofkammer immer mehr vernachlässigt.[8]

Wie schon erwähnt, hatte Burg Lengberg mit den Herren von Graben ihre Hochblüte. Danach ging es rapide bergab. Aus den darauffolgenden Jahrhunderten (16./17./18. Jahrhundert) findet man in den verschiedensten Archiven immer wieder Bittbriefe der Burgrichter/-pfleger, in denen sie an die Salzburger Hofkammer Geldforderungen für notwendige Reparaturen stellten. Die katastrophalen Zustände in der Burg/im Schloss führten schließlich dazu, dass sich der damalige Pfleger Joseph Franz Getzinger (1763-1805) entschloss, das baufällige Schloss zu verlassen und in das frei gewordene ehemalige Trattenhaus unterhalb des Schlosses zu ziehen. Er ließ das Trattenhaus (wahrscheinlich als ein Drei- bzw. Vierkanthof angelegt) grundlegend sanieren und zu einem stattlichen Hof (Getzenhof) ausbauen. Von nun an hielt er dort Gericht.[9]

Der Pfleger Josef Franz Getzinger zählte wahrscheinlich zu den tüchtigsten und loyalsten Burgpflegern in der langen Reihe seiner Vorgänger. Neben seinem hohen Ansehen in der Bevölkerung aufgrund seiner korrekten Amtsführung tat er sich vor allem auch dadurch hervor, dass er notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlich-sozialen Strukturen und in der Anpassung an zeitgemäße Erfordernisse erkannte und verwirklichte.[10]

Anmerkungen:
[1]  Noch heute findet man im Burghof Überbleibsel der Erzbischöfe, u.a. das Wappen des Salzburger  Erzbischofs Paris Graf von Lodron (1586-1653), das sich oberhalb des Burg-tores befindet. Es zeigt einen stehenden, herschauenden Löwen mit Brezelschweif.
[2]  Josef Astner: Die Pfleger von Lengberg und ihre Zeit, in Nikolsdorf in Osttirol. Aus Ver-gangenheit und Gegenwart einer Osttiroler Landgemeinde, hrsg. v. Gemeinde Nikolsdorf, Nikolsdorf 1988, S. 27
[3]  Ebd., S. 93ff
[4] Rudolf Egger: Santonino in Kärnten. Aus seinen Reisetagebüchern 1486-86 (= Kleine Kärnten-Bibliothek, Bd. 10), Klagenfurt 1978, S. 34, vgl. dazu auch: Paolo Santonino, Rei-setagebücher 1485-86, in: Osttiroler Heimatblätter 16 (1948, Heft 9)
[5] Gerhild Kutschera: Schloß Lengberg, in: Nikolsdorf in Osttirol. Aus Vergangenheit und Gegenwart einer Osttiroler Landgemeinde, hrsg. v. Gemeinde Nikolsdorf, Nikolsdorf 1988, S. 156; Magdalena Weingartner: Lengberg …, S. 551ff
[6] Rudolf Egger: Santonino in Kärnten …, S34f
[7] Josef Astner: Die Pfleger von Lengberg …, S. 31
[8] Magdalena Hörmann-Weingartner: Lengberg, in: Tiroler Burgenbuch Bd. 9: Pustertal, hrsg. v. Oswald Trapp, Innsbruck-Wien 2003, S. 547ff
[9] Gerhild Kutschera: Schloß Lengberg…, S. 178
[10] Josef Astner: Die Pfleger …, S. 90