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Die Burgpfleger

Mit dem Erwerb der Grafschaft zu Lengberg und dem Tod Heinrichs von Lechsgemünd kam die Burg Lengberg an das Erzstift Salzburg. Die Erzbischöfe von Salzburg waren nun bis zur Säkularisierung (also für ca. 600 Jahre) die Herren über die Besitzungen der Grafen von Lechsgemünd[7].
Die Einrichtung der Salzburger Pflegeverwaltung erfolgte nun schrittweise. Zum einen wurde Burg Lengberg als Pfand für aufgenommene Darlehen des Erzbischofs an Adelige vergeben, zum anderen wurden Adelige gegen eine bedeutende Kaution als Burgpfleger (Burgrichter) mit der Herrschaft belehnt.
Der jeweilige (Burg)Pfleger hatte vor allem drei Hauptaufgaben: Burghut (Abwehr feindli-cher Angreifer und Wahrung des Friedens), Güterverwaltung und Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit. Letzteres übte der Pfleger mit Gerichtsgeschworenen aus und beinhaltet hauptsächlich die Rechtsprechung bei Diebstählen, Raufereien, Unzucht usw. Die Strafen selbst wurden vom jeweiligen Pfleger ausgesprochen und bestanden meist aus Strafgel-dern und kürzeren Gefängnisstrafen im Burgverlies. Die höhere Gerichtsbarkeit (Blutge-richtsbarkeit), u.a. bei Mord, war in Tirol den Landgerichten (in diesem Fall Lienz) übertra-gen.
Neben den oben erwähnten Aufgaben gehörte auch die jährliche Abhaltung des „Taiding“ (Thing = Gerichtsversammlung, Gerichtstag), das vorwiegend am St.-Markus-Tag (25. April) abgehalten wurde und bei dem alle Ortsangelegenheiten der Untertanen  verbindlich geregelt wurden (z.B. Robotschichten bzw. Frondienst, Holzbezug und andere Verhaltensvorschriften).[8]
Der Verwaltungsbereich von Lengberg beinhaltete keine reichen Besitzungen, zumal sich der Holzbestand vor allem im steilen Gelände befand und die Viehweiden aufgrund der Auwälder sehr spärlich zu finden waren. Als Vorteil für die Grafschaft zu Lengberg kann man aber anführen, dass Lengberg sehr abgeschieden vom Erzstift lag, und somit kaum Naturalien, u.a. Holz für die Salzburger Salinen, sondern nur Geld an das Erzstift leisten musste.[9]
Virgil von Graben erhielt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts als einer der mächtigsten Adeligen seiner Zeit im Raum Oberkärnten-Osttirol Burg Lengberg auf Lebenszeit. So schildert Paolo Santonino in seinen Reisetagebüchern Virgil von Graben als einen „Ritter, geziert mit allen Tugenden und von höchster Bildung, [der seine Gäste] mit strahlend heiterer Miene empfing.“[10]
Virgil von Graben wurde im 15. Jahrhundert geboren und entstammte dem kärntnerisch-osttirolerischen Zweig des edelfreien Geschlechtes der Von Graben von Stein. Virgil war ebenfalls Burggraf und Herr von Burg Sommeregg. Daneben bekleidete Virgil auch das Burggrafenamt bzw. die Pfandherrschaft von Lienz und Heinfels.
Mit Virgil von Graben wurde die Hochblüte von Burg Lengberg eingeleitet. Unter seiner Verwaltung ließ er auf eigene Kosten die „veste Lengenberch“ in den Jahren 1480-85 zu einer repräsentativen gotischen Burg ausbauen.[11]
Der damalige zweistöckige Palas erhielt im Zuge dieser Umbauarbeiten ein drittes Stockwerk, ergänzt mit einem West- und einem Osttrakt. Im so genannten Westtrakt wurde eine Burgkapelle geschaffen, die 1485 den Heiligen Sebastian und Nikolaus geweiht wurde. Neben diesen Bautätigkeiten wurde die Ringmauer zusätzlich aufgestockt und durch eine Zwingermauer ergänzt. Ferner wurde das Niveau des Burghofes um drei Meter gesenkt und somit auch das ursprüngliche romanische Tor nach unten versetzt.
Eine grobe Beschreibung der neuen gotischen Burg findet man in den Reisetagebücher des Paolo Santonino, dem Sekretär des damaligen Bischofs von Carole, der die Weihe der Burgkapelle vollzog:
„Die Burg selbst wird nicht von einer ausgedehnten Mauer umschlossen … Die Mauern der Burg selbst sind dick und sehr hoch, sodass sie durch Belagerungsmaschinen kaum gebrochen würden. Die innere Einteilung ist vorzüglich, unten und im Stockwerk gibt es schöne Wohnzimmer, hergerichtet für Sommer und Winter… In der Burg ist auch ein Springbrunnen, dessen Wasser in einen hölzernen Trog zurückfällt… Innerhalb der Burg hat der Burgherr vielartige Befestigungskünste angebracht zur Verteidigung und zum Abschlagen eines feindlichen Angriffes… Er hat auch eine Sonnenuhr bzw. einen Stundenmesser aufgestellt …“[12]
Nach seinem Tod verzichtete das Herrschergeschlecht der Von Graben von Stein gegen eine große Geldzahlung auf die Burg Lengberg; die Burg wurde nun vom Salzburger Erzbischof an einen anderen Adeligen vergeben.[13] Ab diesem Zeitpunkt wechselten sich die Burgpfleger in Lengberg ab und die Burg wurde aufgrund von fehlenden Geldes von Seiten der Salzburger Hofkammer immer mehr vernachlässigt.[14]
Wie schon erwähnt, hatte Burg Lengberg mit den Herren von Graben ihre Hochblüte. Danach ging es rapide bergab. Aus den darauffolgenden Jahrhunderten (16./17./18. Jahrhundert) findet man in den verschiedensten Archiven immer wieder Bittbriefe der Burgrichter/-pfleger, in denen sie an die Salzburger Hofkammer Geldforderungen für notwendige Reparaturen stellten. Die katastrophalen Zustände in der Burg/im Schloss führten schließlich dazu, dass sich der damalige Pfleger Joseph Franz Getzinger (1763-1805) entschloss, das baufällige Schloss zu verlassen und in das frei gewordene ehemalige Trattenhaus unterhalb des Schlosses zu ziehen. Er ließ das Trattenhaus (wahrscheinlich als ein Drei- bzw. Vierkanthof angelegt) grundlegend sanieren und zu einem stattlichen Hof (Getzenhof) ausbauen. Von nun an hielt er dort Gericht.[15]
Der Pfleger Josef Franz Getzinger zählte wahrscheinlich zu den tüchtigsten und loyalsten Burgpflegern in der langen Reihe seiner Vorgänger. Neben seinem hohen Ansehen in der Bevölkerung aufgrund seiner korrekten Amtsführung tat er sich vor allem auch dadurch hervor, dass er notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlich-sozialen Strukturen und in der Anpassung an zeitgemäße Erfordernisse erkannte und verwirklich-te.[16]
Anmerkungen:
[7]  Noch heute findet man im Burghof Überbleibsel der Erzbischöfe, u.a. das Wappen des Salzburger  Erzbischofs Paris Graf von Lodron (1586-1653), das sich oberhalb des Burg-tores befindet. Es zeigt einen stehenden, herschauenden Löwen mit Brezelschweif.
[8]  Josef Astner: Die Pfleger von Lengberg und ihre Zeit, in Nikolsdorf in Osttirol. Aus Ver-gangenheit und Gegenwart einer Osttiroler Landgemeinde, hrsg. v. Gemeinde Nikolsdorf, Nikolsdorf 1988, S. 27
[9]  Ebd., S. 93ff
[10] Rudolf Egger: Santonino in Kärnten. Aus seinen Reisetagebüchern 1486-86 (= Kleine Kärnten-Bibliothek, Bd. 10), Klagenfurt 1978, S. 34, vgl. dazu auch: Paolo Santonino, Rei-setagebücher 1485-86, in: Osttiroler Heimatblätter 16 (1948, Heft 9)
[11] Gerhild Kutschera: Schloß Lengberg, in: Nikolsdorf in Osttirol. Aus Vergangenheit und Gegenwart einer Osttiroler Landgemeinde, hrsg. v. Gemeinde Nikolsdorf, Nikolsdorf 1988, S. 156; Magdalena Weingartner: Lengberg …, S. 551ff
[12] Rudolf Egger: Santonino in Kärnten …, S34f
[13] Josef Astner: Die Pfleger von Lengberg …, S. 31
[14] Magdalena Hörmann-Weingartner: Lengberg, in: Tiroler Burgenbuch Bd. 9: Pustertal, hrsg. v. Oswald Trapp, Innsbruck-Wien 2003, S. 547ff
[15] Gerhild Kutschera: Schloß Lengberg…, S. 178
[16] Josef Astner: Die Pfleger …, S. 90

Die Ursprünge

Die „veste Lengenberch“ (Burg Lengberg, auch Lechsgemünd genannt) wurde im 12. Jahrhundert vom Herrschergeschlecht der Herren von Lechsgemünd erbaut. Die erste schriftliche Erwähnung der Burg wird auf den 15. August 1190 datiert. Sie beinhaltet Burg Lengberg als Ausstellungsort einer Schenkungsurkunde an das Kloster Viktring.[1] Die Burg selbst wurde mutmaßlich schon 1180 errichtet.
Die Herren von Lechsgemünd waren kein einheimisches Herrschergeschlecht, sondern stammten aus dem Schwabenland (heutiges deutsche Bundesland Bayern). Um genauer zu sein, lag ihre Stammburg (Burg Lechsend) an der Mündung vom Lech in die Donau. Daher stammte auch die Namensgebung „Lechsgemünd“. Die Grafen von Lechsgemünd waren aber keine „Fremden“ in der Region der Hohen Tauern: Sie besaßen nicht nur Besitzungen im Raum Osttirol (Matrei i. O. und Lengberg), sondern auch im Salzburger Pinzgau (Mittersill). Dies war für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich, da viele Reichsgrafen verstreute Besitzungen in den „Deutschen Landen“ hatten.
Zum Pflegschaftsbereich von Lengberg gehörten zur damaligen Zeit nicht nur die Burg Lengberg mit ihren Gutshöfen, sondern auch alle Gebiete östlich von Oberdrauburg bis zur Urpfarre von Irschen.[2]
Der letzte Graf von Lechsgemünd, der auf Burg Lengberg lebte, war Heinrich von Lechs-gemünd. Heinrich, selbst kinderlos, versprach in einem Erbvertrag dem Erzbischof Konrad von Salzburg seine Herrschaftsgebiete in Osttirol und im oberen Pinzgau. Schließlich ver-kaufte er 1207 dessen Nachfolger, dem Erzbischof Eberhard, diese versprochenen Gebiete; mit einer Ausnahme: Für die Burg Lengberg mit dazugehörigen Gütern in Irschen, Nikolsdorf und Lindberg behielt er sich das lebenslange Nutzungsrecht vor.[3]
Nach dem Tod Heinrichs von Lechsgemünd 1212 kam die Herrschaft zu Lengberg endgültig an das Erzstift Salzburg (weltlicher Besitz des Erzbistums Salzburg). „In Zusammenhang mit dem Übergang des gewaltigen Besitzerbes der Lechsgemünder an Salzburg hatten sich [aber] Streitigkeiten entwickelt, da auch der Patriarch von Aquileia Ansprüche erhob.“[4] So soll die Gemahlin von Heinrich Willibirgis auf dem Totenbett die Besitzungen Matrei und Lengberg der Kirche von Aquileia zu ihrem Seelenheil vermacht haben. Warum gerade die beiden Herrschaften? Mutmaßlich hat die Gräfin Willibirgis diese beiden Herrschaften als Morgengabe von Heinrich erhalten und glaubte daher darüber zu verfügen. Dieser Rechtsstreit wurde jedoch schnell in einem Schiedsgericht beigelegt: Der Erzbischof von Salzburg verzichtete 1212 auf alle seine Güter in Friaul zugunsten des Patriarchats.[5]
Der Erzbischof setzte daraufhin einen Burgpfleger, Burgrichter bzw. Burgvogt ein, der im Namen des Erzbischofs die Herrschaft verwaltete und Recht sprach.
Baugeschichtlich betrachtet handelt es sich bei der damaligen Burg um einen trapezförmigen, romanischen Bau, bestehend aus einem zweistöckigen Palas mit einer 2,20 Meter dicken Ringmauer. Burg Lengberg besaß keinen Bergfried, was der Burg ein Charakteristikum einer möglichen Turmburg verlieh. In manchen Quellen wird Lengberg auch als „Fliehburg“ bezeichnet.[6]

Anmerkungen:
[1] Magdalena Hörmann-Weingartner: Lengberg, in: Tiroler Burgenbuch Bd. 9: Pustertal, hrsg. v. Oswald Trapp, Innsbruck-Wien 2003, S. 545
[2] Ebd., S. 546
[3] Otto Stolz: Politisch-historische Landesbeschreibungen von Südtirol, Innsbruck 1937 (= Schlern-Schriften Nr. 40), S. 709, vgl. Gerhild Kutschera: Schloss Lengberg, in: Nikolsdorf in Osttirol. Aus Vergangenheit und Gegenwart einer Osttiroler Landgemeinde, Nikolsdorf 1988, S. 155; vgl. auch Urkunde vom 10. Oktober 1207 Absicherung des Vertrages, in: Urkundebuch Salzburg Nr. 5 III 605
[4] Magdalena Hörmann-Weingartner: Lengberg …, S. 546
[5] Ebd.
[6] Josef Astner: Die Pfleger von Lengberg und ihre Zeit, in Nikolsdorf in Osttirol. Aus Ver-gangenheit und Gegenwart einer Osttiroler Landgemeinde, hrsg. v. Gemeinde Nikolsdorf, Nikolsdorf 1988, S. 28, 31; ergänzend: Eine Fliehburg (auch Volksburg genannt) dient einer vollständigen lokalen Bevölkerung vorübergehend als Rückzugsort in Zeiten der Gefahr.